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Akteure und Perspektiven

Gewaltbilder von Aufmerksamkeitsverbrechen tilgen und erfordern Abstand. Vor allem in potenziell echtzeitschnell global vernetzten digitalen Öffentlichkeiten, in denen jede Person, die postet und kommentiert, Sender und Empfänger zugleich ist, gewinnen Fragen nach den medialen und ästhetischen Entstehungsbedingungen von Distanzauflösung und Wirklichkeitstransformation eine Dringlichkeit, die Alltag und Wissenschaft eng verknüpft. Sobald Fotos und Videos im Hybridraum sozialer Netzwerke und massenmedialer Berichterstattung eingesetzt werden, erscheinen sie oft als sachgerecht und erhalten kurzschlüssig einen hohen Wahrheitswert. Doch auch abbildhafte Gewaltbilder von indexikalischer Qualität können nie „die Sache selbst“ sein. Sie hinterlassen Wissenslücken und generieren eine Informationssehnsucht, die den „Appetit des Auges“ sowie den „Hunger nach ‚Deutung‘“ anregt. Zudem drohen Betrachterrealität und Ereignisrealität kurzzeitig ineinander zu kollabieren. Folglich werden die Bilder befragt, mit welchen Mitteln welche Wirklichkeiten in ihnen, durch sie und mit ihnen erzeugt werden. Eine Offenlegung des Wirkungspotenzials öffentlich eingesetzter Gewaltbilder verlangt es, die künstlichen Entstehungsbedingungen der Bildwirkung aufzufächern, um diese zu distanzbringenden Rezeptionsanlagen zu transformieren. Die Reflexion der Bildwirkung bleibt unumgänglich für die Diskussion sowohl der medialen Praxis als auch des Publikumsinteresses an Gewaltbildern.