Wie gestaltet sich das Verhältnis von Bildern und Texten? Über welche Strategien
finden Texte ‚Eingang‘ in Bilder und von welcher Textualität zeugen diese? Inwiefern
werden das Verbale und das Visuelle diskursiv und narrativ ‚vernäht‘?
Die Textualität der Fotografie und die damit verbundene Vorstellung, dass Bilder als
Texte gelesen werden können, ist bereits seit den 70er/80er Jahren in Praxis und
Theorie-Kontexten keine neue Erkenntnis. Doch in aktuellen dokumentarischen
Diskursen kommt verstärkt ein Verständnis zum Ausdruck, dass das Verhältnis von
visuellen und verbalen Medien als heterogenes Feld repräsentierender Praktiken zu
begreifen sucht. Ausgehend von der Verwobenheit von Darstellung und Diskurs und
dem Ineinandergreifen von visueller und verbaler Erfahrung, wie es u.a. W.J.T.
Mitchell beschrieben hat, verstehen sie das Bild/Text-Verhältnis als eines, in dem sich
die Sphären des Les- und Sichtbaren immer schon unvermeidlich vermischen.
In der Kombination verschiedener Formen der Dokumentation und Zeugenschaft
setzen aktuelle Projekte daher verstärkt auf Bild/Text-Kombinationen und deren
Komplementarität. Dabei reflektieren sie, dass kein Dokument, kein Zeugnis von sich
aus unmittelbare Evidenz vermitteln kann, sondern immer auch die Möglichkeit der
Fiktion beinhaltet. Jenseits des Anspruchs an eine eindeutige Seh- und Lesbarkeit
thematisieren sie ihre eigene Kontextualität als Voraussetzung von Bedeut- und
Wirksamkeit. Bedeutung stellt sich für sie über jeden Publikationskontext, mit jeder
Rezeption, mit jeder Les- und Sichtart her, ist nicht fix, sondern fluide, zirkuliert und
migriert.

Das Symposium ›image/con/text. Komplementäre Zeugnisse im dokumentarischen
Diskurs‹ richtet seinen Fokus auf aktuelle Arbeiten, die explizit auf eine Vermischung
der Sphären des Les- und Sichtbaren zielen. Hat sich das Verhältnis von Bild und
Text im dokumentarischen Diskurs der letzten 10 Jahre tatsächlich verändert? Über
die Idee eines Vergleichs der Medien von Bild und Text hinaus möchte das
Symposium die Gesamtheit und Komplexität der Relationen von Bild und Text in
Projekten insbesondere aus dem Bereich Fotobuch, aber auch im Comic, Film,
Multimedia und den Erzählformen des Archivs untersuchen. Ein Hauptaugenmerk gilt
dabei der Frage, welche Auswirkungen die ‚Vernähung von Bild und Text‘ auf
Konzeptionen von Zeugenschaft und Dokumentarismus hat. Kann die Idee der
Komplementarität der Zeugnisse die Kluft zwischen Positionen absolutierter Wahrheit
und Relativismus navigieren?

Nach ›Images in Conflict / Bilder im Konflikt‹ ist es das zweite Symposium der Diskursplattform [IMAGE MATTERS], die der Studiengang ›Fotojournalismus und Dokumentarfotografie‹ initiiert hat, um Fragestellungen aus der fotografischen Bildpraxis und Diskurse der Bild- und Fototheorie sowie der Visual und Cultural Studies in einen Dialog zu bringen.

Vortragende sind:
Edmund Clark, Joan Fontcuberta, Thomas Helbig, Eva Leitolf, Regine Petersen, Kai Pfeiffer, Max Pinckers, Fred Ritchin, Klaus Sachs-Hombach, Anja Schürmann, Alisha Sett, Friedrich Weltzien.

Programmheft zum Download: image/con/text_programm.pdf

„image/con/text. Komplementäre Zeugnisse im dokumentarischen Diskurs“ findet im Rahmen der Kurt Schwitters Symposien am 29. und 30. Oktober 2019 in Hannover an der Fakultät III, Medien, Information und Design, der Hochschule Hannover statt. Der Eintritt ist frei.