Wie kann, wie soll man Bildern Wirksamkeit verleihen? Die Suche nach neuen Erzählformen im Feld von Fotojournalismus und Dokumentarfotografie, die den Blick über die Grenzen des konventionellen Verständnisses der dokumentarischen Form erweitern, war ein zentrales Movens der vorangegangenen [IMAGEMATTERS]-Publikation Images in Conflict / Bilder im Konflikt. Die Frage nach den Möglichkeiten des Dokumentarischen und der Entwicklung visueller Narrationen, die Stereotypisierungen und traditionelle Sehgewohnheiten unterlaufen, wird mit dem Themenfokus des vorliegenden Bandes weiterverfolgt: Gerade die Textualität und Kontextualität dokumentarischer Praktiken und das Ausloten ihrer Grenzbereiche, hier insbesondere des Verhältnisses von Kunst, Dokumentation und Journalismus, stehen im Zentrum der Beiträge von image/con/text.

„Gegen jenes fotoessayistische Versprechen, das ‚Leben‘ mit der Kamera einzufangen, versuchte ich aus dem Inneren einer Welt heraus zu arbeiten, die immer schon zum Zeichen geronnen ist“, proklamierte Allan Sekula in Photography Against the Grain (1984). Fotografien als autonome, selbsterklärende Fenster zur Welt zu verstehen, wird weder der Komplexität unserer Wirklichkeit noch der Verschränktheit unserer Zeichensysteme gerecht. Da jede Zeugnisform, sei sie nun fotografisch oder textbasiert, für sich allein oft inadäquat bleibt, wird eine Praxis des Dokumentarischen gerade dort als fruchtbar wahrgenommen, wo sich die Repräsentationsformen ergänzen. image/con/text geht folglich von der Idee einer Komplementarität der Zeugnisse aus. Insbesondere journalistische Bilder nutzen und brauchen ergänzende Kontexte, um als Zeugnisse wirksam sein zu können. Bedeutung stiftende Umgebungen können hierfür durch Bildunterschriften hergestellt werden. Sie können sich aber auch durch andere Bilder oder beigefügte Dokumente ergeben. Dabei zeigt sich nicht nur ein Spannungsfeld zwischen bildlichen und verbalen Medialisierungen, vielmehr tritt auch eine mögliche Schichtung und Verschachtelung von Bedeutungsebenen zutage, die zunehmend von vielen documentary storytellers für die Narration verborgener Geschichten in Beziehung gesetzt werden.



Im vorliegenden Band werden Relationen von Bild und Text in aktuellen wie historisch wegweisenden Projekten insbesondere aus dem Bereich Fotobuch, aber auch in Film, Multimedia, Comic und den Erzählformen des Archivs untersucht. Die betrachteten dokumentarischen Strategien bewegen sich zwischen journalistischen, künstlerischen und aktivistischen Positionen, sie verweben Fakt und Fiktion und spüren Machtkonstellationen im Darstellungsprozess auf. Die bewusste Herstellung von Kontexten wird von fotografisch Erzählenden zunehmend als Möglichkeit begriffen, nicht zuletzt den Rahmen des Erzählbaren zu erweitern.

„With a variety of voices and practices, image/con/text. Documentary Practices Between Journalism, Art and Activism adds to the so much needed discourse on today’s documentary photography. During the symposium, which served as the ground work for this publication, it became once more apparent how important it is to be aware of one’s perspective and position as documentary photographer.”

Iris Sikking, Kuratorin, Dozentin und Autorin für Fotografie, Film und Digitalkunst

Mit Text- und Bildbeiträgen von: Laia Abril, Crofton Black, Edmund Clark, Susanne von Falkenhausen, Joan Fontcuberta, Karen Fromm, Sophia Greiff, Thomas Helbig, Eva Leitolf, Regine Petersen, Max Pinckers, Peter Puklus, Malte Radtki, Fred Ritchin, Anja Schürmann, Alisha Sett, Anna Stemmler, Florian Sturm, Friedrich Weltzien.

image/con/text. Dokumentarische Praktiken zwischen Journalismus, Kunst und Aktivismus
hrsg. von Karen Fromm, Sophia Greiff, Malte Radtki und Anna Stemmler
Reimer Verlag, Berlin 2020
mit Texten in Deutsch und Englisch
352 Seiten, 168 Abbildungen, 29,90 EUR
ISBN 978-3-496-01646-5

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