Im Juni 1972 geht ein Foto um die Welt, das unser Bild vom Vietnamkrieg, ja von allen Kriegen verändert: das Napalm-Mädchen von Nick Ut. Seither steht dieses Pressefoto stellvertretend für die Gräuel, unter denen besonders die Zivilbevölkerung in den modernen Kriegen leidet. In den über 40 Jahren seit seiner Entstehung war das Bild Thema unzähliger Publikationen. Doch wie so oft bei ikonischen Bildern sind auch über das Napalm-Mädchen jede Menge historische Ungenauigkeiten und Fehlinformationen im Umlauf, die mit stoischer Ignoranz wiederholt werden und die Wirkungsgeschichte und Rezeption des Bildes nachhaltig beeinflussen.
Der Essay unternimmt den Versuch, die Ereignisse vom 8. Juni 1972 und die Rolle der Beteiligten möglichst umfassend und genau zu rekonstruieren, um eine Vielzahl der späteren Lesarten zu widerlegen. Dabei wird deutlich, dass sich das Napalm-Mädchen im Spannungsfeld von Wahrheitsansprüchen bewegt, die zwischen Wirkungsmacht, Authentizität, Objektivität und Propaganda liegen.