OUT OF SYRIA, INSIDE FACEBOOK (2016)

Als im März 2011 der Bürgerkrieg in Syrien begann, studierte Dona Abboud Typografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Das soziale Netzwerk Facebook wurde zu ihrer wichtigsten Verbindung mit ihrer Familie, ihren Freunden und ihrem Heimatland. In den Timelines trafen persönliche und offizielle Nachrichten, Freude und Verzweiflung, das gewöhnliche Leben und der Ausnahmezustand des Krieges aufeinander. Für ihr Buch ›Out of Syria, Inside Facebook‹ sammelte Abboud die bei Facebook geteilten Bilder von elf Syrern mit sehr unterschiedlichen Biografien, Schicksalen und Überzeugungen. Durch die Einblicke in verschiedene Filterblasen zeigen sich heterogene Perspektiven, widersprüchliche Wahrheiten und die Vielschichtigkeit der Lebensrealität vor Ort.

WAR PORN (2014)

›Nutze ich die Menschen in meinen Bildern aus? Ist es moralisch zu rechtfertigen, als Fotograf in Kriegsgebieten zu arbeiten? Warum sind wir von Bildern des Elends anderer angezogen? Produziere ich Kriegs-Pornographie?‹ Diese Fragen stellte sich der Fotograf Christoph Bangert, der über zehn Jahre für internationale Magazine in Krisenregionen wie Afghanistan, Irak, Indonesien, Libanon und Gaza unterwegs war. In seinem Buch ›War Porn‹ versammelt er Aufnahmen, die gewöhnlich Prozessen der Zensur anheimfallen: der Selbstzensur des Fotografen, der sich bei manchen Bildern im Buch nicht daran erinnert, sie gemacht zu haben. Aber auch den journalistischen Auswahlprozessen der Redaktionen und publizierenden Medien sowie der Zensur der Betrachter, die sich entscheiden und überwinden müssen, diese Bilder anzuschauen.

ORANGE SCREEN: WAR OF IMAGES (2016)

Der britische Fotograf Edmund Clark untersucht die visuelle Sprache des globalen ›Krieges gegen den Terror‹, der nach den Anschlägen vom 11. September 2001 von der damaligen US-Regierung unter George W. Bush propagiert wurde. Indem Clark vertraute und weit verbreitete Bilder dieses Krieges in Worten beschreibt, sie aus ihrem Kontext löst und ihrer Visualität beraubt, verdeutlicht er, wie sehr diese Bilder in unser Gedächtnis eingebrannt sind und unser Verständnis dieses Konfliktes geprägt haben. Die Farbe Orange wurde Teil dieser Ikonografie, als 2002 Medienbilder der ersten, in orangefarbene Overalls gekleideten Gefangenen in Guantánamo Bay auftauchten. Seit 2014 wurde diese Bildsprache wiederum in ISIS-Propagandafilmen zitiert, in welchen die Gefangenen ebenfalls orangefarbene Kleidung trugen.

Video, 5:19 Minuten

Orange Screen entstand in Zusammenarbeit mit Max Houghton.

LETTERS TO OMAR und SECTION 4 PART 20: ONE DAY ON A SATURDAY (2010 und 2011)

Diese Arbeit umfasst eine Auswahl von Karten und Briefen, die der britische Gefangene Omar Deghayes während seiner sechs Jahre Gefangenschaft im US-Internierungslager Guantánamo Bay erhielt. Sie stammen von seiner Familie, besonders aber von Menschen auf der ganzen Welt, die Omar nie kennengelernt haben. Da jegliche Post auf gefährliche Stoffe gescannt, offiziell gestempelt, bearbeitet und kopiert wurde, erreichten Omar nie die Originale, sondern abstrahiertes, durch den bürokratischen Prozess neu geschaffenes Bildmaterial. Ob, wann und in welcher Form er seine Post bekam, wurde von seinem Vernehmungsbeamten kontrolliert.

In dem Video ›Section 4 Part 20: One Day on a Saturday‹ werden die idyllischen Motive der erhaltenen Postkarten von einer Tonspur begleitet, in der sich zwei Stimmen überlagern. Eine weibliche Stimme liest aus dem ›Camp Delta Standard Operating Procedures Manual‹ vor, einem ausführlichen Handbuch von Anweisungen für Lagerwachen, das durch die Enthüllungsplattform Wikileaks öffentlich wurde. Eine männliche Stimme liest Auszüge aus der Zeugenaussage eines Guantánamo-Gefangenen. Omar Deghayes wurde im Dezember 2007 ohne Anklageerhebung freigelassen.

Video, 7:37 Minuten

Section 4 Part 20 entstand in Zusammenarbeit mit Anna Stevens.

ERNSTE SPIELE Teil 1/4: Watson ist hin (2009)

Mit Wirksamkeit und Omnipräsenz von Bildmaterial in Krisensituationen setzte sich der Filmemacher und Künstler Harun Farocki auseinander. Seine Videoarbeit ›Ernste Spiele‹ beleuchtet die Verwendung von Computerspiel-Technologien zur Ausbildung amerikanischer Soldaten – sowohl zur Vorbereitung auf den Kriegseinsatz als auch zur Behandlung traumatisierender Erlebnisse. In ›Watson ist hin‹ bereiten sich vier Marines auf einem Stützpunkt der Marine in 29 Palms, Kalifornien auf den Ernstfall vor. An Computern sitzend simulieren sie die Fahrt in einem Panzerfahrzeug durch afghanisches Gelände. Die animierte Computer-Landschaft geht auf die geografischen Daten Afghanistans zurück und erlaubt somit eine detaillierte Geländeausbildung und Strategieübung. Der Ausbilder platziert Sprengsätze und setzt im Gelände ›Aufständische‹ aus. Watson, der Bordschütze des Panzerfahrzeugs, wird von einem Heckenschützen getroffen und überlebt den Einsatz nicht.

ERNSTE SPIELE Teil 3/4: Immersion (2009)

Im dritten Teil von ›Ernste Spiele‹ geht es um den Realitätseffekt von Computerspielen. Im Madigan Army Medical Center in Fort Lewis wird Psychologen der US-Air Force während eines Workshops das Computer-Animations-Programm ›Virtual Iraq‹ erklärt, welches bei der Behandlung kriegsbedingter Traumata zum Einsatz kommen soll. Während der Patient sich virtuell ein zweites Mal durch die traumatische Ausgangssituation bewegt, kann die begleitende Therapeutin verschiedene Zwischenfälle, wie einen Hinterhalt oder eine Explosion, sowie entsprechende Geräusche auswählen. Durch die so genannte Immersion, das Eintauchen in die virtuelle Realität, sollen traumatisierte Patienten das Angst auslösende Schlüsselerlebnis durch das erneute Durchleben verarbeiten. Bei der Demonstration des Programms verkörpert einer der Therapeuten seine Rolle als Patient so überzeugend, als würde er von seiner eigenen Erfahrung berichten – und lässt so auch die Betrachter des Videos ›Immersion‹ in die medial geschaffene Situation eintauchen.

QUEST FOR IDENTITY (seit 2010)

Was können Bilder aus Kriegs- und Konfliktsituationen tatsächlich bewirken? Wen erreichen sie? Und was geschieht vor Ort, nachdem die mediale Aufmerksamkeit abgeklungen ist?

Der bosnische Fotojournalist Ziyah Gafić katalogisiert seit 2010 Objekte, die als letzte Zeugen an die Existenz der um die 30.000 Vermissten des Bosnienkrieges erinnern: persönliche Habseligkeiten und Alltagsobjekte, die aus den Massengräbern exhumiert wurden und bis heute, zwei Jahrzehnte nach dem Konflikt, dazu dienen, die Toten zu identifizieren. Sein visuelles Archiv soll den Hinterbliebenen die Suche nach Angehörigen erleichtern und ermöglicht trotz der Nüchternheit der Darstellung zugleich eine persönliche Identifikation mit den Opfern.

ATLAS DER ANGST (2017)

Wir sind im Krieg. So steht es zumindest eines sonnigen Tages in der Zeitung. Terror, Flüchtlinge, sozialer Abstieg – wovor fürchten sich die Menschen in einem Land, das seit über 70 Jahren im Frieden lebt? Der Fotograf Armin Smailovic und der Autor Dirk Gieselmann haben sich für ihren ›Atlas der Angst‹ auf eine Reise durch Deutschland begeben. In Interviews, Fotos und Videos machten sie sich auf die Suche nach der ›German Angst‹ und einem mitunter medial vermittelten Gefühl der Verunsicherung und Ohnmacht. Basierend auf ihren Recherchen sind unter anderem ein Buch und ein Theaterstück für das Thalia Theater in Hamburg entstanden.

SLEEPING SOLDIERS (2009)

Über einen Zeitraum von 15 Monaten begleitete der britische Fotojournalist Tim Hetherington einen Trupp US-Soldaten in einem Außenposten im Osten Afghanistans. Neben dem in Zusammenarbeit mit Sebastian Junger produzierten, preisgekrönten Dokumentarfilm ›Restrepo‹ entstand die eindringliche Videoinstallation ›Sleeping Soldiers‹. Sie ist ein Versuch, den Horror und die Widersprüche des Kriegserlebens als immersives, alptraumhaftes Erlebnis sicht- und vor allem spürbar zu machen: Intime Aufnahmen von schlafenden Soldaten werden mit Szenen intensiver Gefechte überblendet. Die Verletzlichkeit der jungen Männer steht ihrem oft gewalttätigen Alltag gegenüber. Hetherington selbst kam 2011 bei einer Offensive von Pro-Gaddafi-Truppen gegen die Rebellen in Misrata, Libyen ums Leben.

Bildmaterial der dpa Picture-Alliance (11. September 2001 – heute)

Expert
dpa Picture-Alliance

Die dpa Picture-Alliance GmbH ist als Tochterunternehmen der dpa Deutsche Presse-Agentur eine der führenden Nachrichtenagenturen in Deutschland. Welche Bilder von aktuellen Konflikten sind ›newswürdig‹ und werden über die Bildagenturen vertrieben? Wo begegnen uns Wiederholungen, bekannte Ikonografien und Stereotypien? Welche Bildikonen prägen unser Verständnis von den zahlreichen Kriegen und Krisen unserer Zeit? Die hier gezeigte Auswahl wurde anhand einiger der folgenden Suchworte zusammengestellt: 11. September, Abu-Ghraib, Afghanistan, Al-Qaida, Arabischer Frühling, Aylan Kurdi, Balkanroute, Bataclan, Boko Haram, Bürgerkrieg, Charlie Hebdo, Donezk, Drogenkrieg, Erdogan, FARC, Flüchtlingskrise, Frontex, Gaddafi, Gaza, Giftgas, Guantánamo, Idomeni, IS, Irakkrieg, Israel, Jemen, Korengal, Lampedusa, Libanonkrieg, Libyen, Militärputsch, Mossul, Nahostkonflikt, Nairobi, Nordkorea, Osama bin Laden, Ostukraine, Palästina, Palmyra, PKK, Rojava, Saddam Hussein, Selbstmordattentäter, Syrien, Tahrir Platz, Taliban, Terroranschlag, Tunesien, Utoya, World Trade Center…

Wir danken der dpa Picture-Alliance für die freundliche Unterstützung.